Donnerstag, 11. Februar 2010


Philosophie vom Fortgeschrittenen

Diese Woche war es also endlich so weit. Was aus einem Abend mit viel Bier und viel Rum und glücklicherweise auch einer sehr sehr oberflächlichen Diskussion über Erkenntnistheorien Platons und Lockes hervorging, wurde nun also Wirklichkeit: Das Angebot, für zwei Tage eine Gastprofessur in Philosophie an der lokalen Universität zu halten.
Auch wenn das ersteinmal ziemlich hochtrabend klingt und sich einige mit Sicherheit (und natürlich auch mit Berechtigung) fragen werden, was denn bitte so ein kleiner, unkompetenter und wie sich nun herausstellt auch noch größenwahnsinniger Freiwilliger als "guestspeaker" an einer Uni verloren hat, so muss ich entgegenen, dass diejenigen vollkommen richtig liegen.
Dennoch ist eine Universität auf den Philippinen nicht einmal Ansatzweise mit den Standarts und Qualitäten einer Deutschen zu vergleichen. Das Niveau liegt eher (und selbst das ist teilweise noch äußerst großzügig beschrieben) bei dem eines Gymnasiums, eher noch einer Realschule.
Nichtsdestotrotz freute ich mich natürlich über das einmalige Angebot, nichts zuletzt deshalb, um malwieder ein par seit langem vertrocknete Gehirnzellen zu beanspruchen.
Ich nahm also zuerst einmal an einer normalen Philosophiestunde als passiver Zuhörer teil, um mir ein allgemeines Bild von den Unterrichtsmethoden zu verschaffen.
Mit Paulo, dem Lehrer und gleichzeitig Unterbreiter des Angebots, hatte ich vergleichsweise einen äußerst kompetenten und bezüglich Philosophie (aber auch bezüglich Frauen, Bikes und Mucke) allwissenden Mentor gefunden. Zwar war sein Unterricht durch alteingesessener Praktiken immernoch relativ einseitig und frontal, doch wie er es rüberbrachte und was er da sagte war interessant und, noch viel wichtiger, verständlich.
Nun war es also an mir, ein par deutsche Unterrichtspraktiken zu importieren.
Die Themengebiete konnte ich mir weitgehend selbst aussuchen. Die einzige Einschränkung bestand in der Wahl der zu behandelnden Philosophen, da die Denker und Gedanken der asiatischen Kultur im vorangegangenen Semester behandelt wurden, blieben für mich noch die Philosophen des Westens übrig. Na und das passte ja perfekt.
Ich entschied mich also unter vorheriger Rücksprache mit einer äußerst attraktiven, kompetenten und vielseitigen Italienerin für zwei verschiedene Philosophen, da ich an zwei Tagen jeweils zwei Klassen unterrichten sollte: Erstens einen klassiker, Kant mit seinem kategorischen Imperativ. Damit wollte ich am Dienstag beginnen, ich dachte mir das ist greifbar, relativ leicht verständlich und man kann mittels Beispielen auch einen hohen Veranschaulichungsgrad erreichen. Der zweite Philosoph war Martin Heidegger mit seiner anthropologischen Philosophie über "DaSein" und Existenz. Schon schwieriger aber dennoch machbar dachte ich mir.
Einen Fakt der die ganze Sache für mich noch etwas schwieriger gestalten sollte, auf den ich mich aber auch total freute war der, das die Unterrichtssprache natürlich Englisch war.
Ich bereitete mich also die Woche davor auf die kommenden Stunden vor, wälzte verschiedene, vorher mitgebrachte Bücher und kramte im Internet nach noch fehlenden Gedankenfetzen.
Am Dienstag war es dann so weit. Als ich in die Klasse kam, vielen gleich erstmal ausnahmslos alle Philippinas in Ohnmacht oder kreischten auf, als sie mich sahen.
Die Stunde begann wie immer mit einem Vaterunser, bei dem ich mit den Händen auf dem Rücken nur möglichst unauffällig auf den Boden blickte.
Dannach war ich dran, Kants kategorischer Imperativ. Ich begann die Stunde damit, einen kurzen, vorher selbst zusammengestellten Text über diesen auszuteilen, der mit der wenigstens als Floskel relativ bekannten Handlungsregel "Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde" endete. Mein Plan sah vor, dass wir nach dem Lesen gemeinsam über den "categorical imperative" sprechen, um so zusammen die Einzelheiten von Kants Moralvorstellungen zu erarbeiten. Und - es klappte. Und zwar richtig gut.

Zwar bestätigte sich mein von Anfang an erwarteter und größter Zweifel, nämlich der, dass die Schüchternheit und der Respekt vor dem "handsome German" die Mitarbeit dämpfen würde.
Und trotzdem erkannte ich immer mehr altbekannte Muster in den Reihen der Schüler: Einer meldete sich ständig, einer war der Clown der Klasse, zwei Streberinnen hatte ich auch und so weiter und so ...
Auch wenn ich viele viele Denkanstöße geben musste, am Ende denke ich doch behaupten zu können, dass so ziemlich jeder die Inhalte des kat. Imp. verstanden hat, perfekt.
Auch die Sprache war kein Problem und als ich dann sogar noch ein par Wörter Waray-Waray auspackte, woraufhin die Klasse in lautes Lachen ausbrach, hatte ich sowieso schon gewonnen.
Auch am Donnerstag mit meinem neuen Lieblingsphilosophen Heidegger (er verfängt sich nicht in Spekulationen, sondern liefert direkt anwendbare und kluge Erkenntnisse) lief es prima.
Ich erzählte eine Stunde etwas über das "Sein" und die menschliche Existenz, bis am Ende eine Frage kam, die mich immernoch schmunzeln lässt und gleichzeitig in große Freude versetzt: "Does that meen, that the philosophy of Heidegger denys the excistence of god?"
Gott! Ja, danke, Gott zieht immer, vor allem hier auf dem tiefst religösen Philippinen.
So entstand eine teilweise hitzige Diskussion - und ich freute mich einfach nur.
Ich hatte mein Ziel, eine Diskussion zu entfachen erreicht.
So endeten für mich zwei aufregende Tage im Leben eines Lehrers mit einem Lächeln auf den Lippen und dem positiven Gefühl, vielleicht etwas zur eigenständigen Entwicklung einiger zukunftsträchtigen Individuen beigetragen zu haben. Mein seit Wochen anhaltendes Gefühl der fast schon unerhörten Hochstimmung wurde dadurch nur noch gesteigert.
Heute geht es weiter mit einem Abend in der Disco von Guiuan, wirklich geile Lokation, da sie auf einem cottage auf Holzpfählen direkt über dem Wasser des Leyte - Golf gebaut ist.
Und da Vera, Chris und auch alle anderen Volunteers im Umkreis gerade verreist sind, wird das ein Abend nur mit Philippinas und Phillippinos.
Am Wochende ist dann wieder Surfen und eine weitere Höhlentour (diesmal ohne guide und auf eigene Faust) angesagt.

"Ich freu mich drauf", sagt


Theo.


6 Kommentare:

  1. bin sehr stolz auf dich.....you are in my thoughts.....

    AntwortenLöschen
  2. Gratuliere Dir zu Deinem Erfolg, hast ja auch pädagogische Fähigkeiten bewiesen.

    Alles Liebe

    Leege 130

    AntwortenLöschen
  3. hi theo, olivia hier, aus davao. mensch, bin grad zufällig auf deinen blog gestoßen und mächtig beeindruckt!
    schön zu hören, dass bei dir alles so gut läuft!!

    viele grüße!

    AntwortenLöschen
  4. Danke, ich hoffe wir erklimmen bald mal mit Chris nen Berg in Mindanao,

    freu mich schon!

    AntwortenLöschen
  5. Lieber Theo,
    bald bin ich wieder in Guiuan. Ich denke an
    eine Projekt für dich in Guiuan. Wie es mit
    Guiuan als Wochenend Treffpunkt für Freiwillige in E. Samar? Denn sie können Erfahrungen Austausch u. Vorschläge machen (in unsere Phil. Uni, wir nennen ist "think tank"), Internet nutzen und zu gleich gemeinsam Ausflüge unternehmen. z.B.: Surfen, Tauchen/Schnorcheln, Trekking, Höhlen besichtigen, Basketball/Fußball spielen, Disco/Karaoke, u.s.w. GDFI kann vielleicht das Gebäude als "Canteen" mit Kuche Einrichtung durch DED finanzieren. Ich werde mit Frau De la Cruz diese vermitteln.Sonst bei LGU Salcedo.
    Fr. A.Schäfer

    AntwortenLöschen