Nudeln und Nomaden
Nach langen Wochen des Wartens war der Höhepunkt dieses Jahres also endlich gekommen: Jesse, Chris und ich in China.
Schon viel zu sehr an das ruhige Leben der Philippinen gewöhnt, verpassten wir aber ersteinmal unseren Flug von Tacloban nach Manila. Wenn ein Van um fünf abfährt, so ist man auch um fünf da, dass dies jedoch nicht so ohne weiteres auf einen Flug zu übertragen ist, war uns schlichtweg entfallen.
Wir nahmen es eher gelassen, dass unser Flieger nun ohne uns abhob, was konnte man denn jetzt auch noch ändern? Also buchten wir eben kurzfristig einen neuen Flug und kamen rechtzeitig in Manila an, um unseren Anschlussflug über Guangzhou nach Ürümqi zu erwischen.
Warum Ürümqi? Wir wollten von vornherein nach China, das stand fest. Als wir uns dann eine Chinakarte vornahmen, meinte Chris plötzlich: "Ha, Ürümqi, das is ja ein geiler Name, lass mal nach Ürümqi!" Ich lachte, wollte das Ganze noch weiter treiben und schaute spontan nach Flügen. Und siehe da - der Flug Manila - Ürümqi war doch tatsächlich der billigste von allen.
Somit war es beschlossen und kurzerhand buchten wir drei Tickets in eine Stadt, von der wir vor fünf Minuten das erste Mal gehört haben.
Die größte Stadt Nordwest Chinas hieß uns mit einem völlig anderen Klima willkommen, als wir es von den Philippinen gewohnt waren, statt feucht warmer Dauerhitze war es hier zwar warm, jedoch unglaublich trocken. Jeder Schweißtropfen verdunstete schon nach wenigen Augenblicken in den wolkenlosen Himmel.
Vom Flughafen aus liefen wir ersteinmal Richtung Innenstadt, jeder mindestens mit zehn Kilo Gepäck auf dem Rücken. Das heißt fast jeder, Jesse musste natürlich unbedingt überlebenswichtige Dinge wie Wasserschuhe mit auf unsere Wanderung nehmen, was einen etwas schwereren Rucksack zur Folge hatte.
Am nächstbesten Bankautomaten machten wir halt, um einige chinesische Yuan abzubuchen, wir waren ja ohne einen Cent nach China gekommen und verließen uns vollkommen auf meine Visa Karte - mächtig großer Fehler. Denn nachdem wir zwar 200 Yuan (20 Euro) bekamen, streikte die Karte und wir standen fast ohne Geld da. 20 Euro reichte ja kaum für zwei Tage!
Wir begannen uns wirklich Sorgen zu machen, dachten an betteln, stehlen, plündern, doch dann kam Jesse die rettende Idee - Western Union.
Einen Anruf auf die Philippinen und Vera setzte alle Hebel in Bewegung und transferierte uns 15 000 Pesos von Guiuan nach Ürümqi, sodass schon am nächsten Tag unser Geldproblem gelöst war. Wie praktisch doch manchmal Freunde sein können!
Wir waren heilfroh, so sehr, dass wir die 200 Yuan noch am gleichen Abend auf einmal ausgaben.
Wir schlenderten durch die Straßen der Milionenstadt und betraten irgendwann einen riesigen Markt, der sich zu beiden Seiten einer breiten Straße erstreckte. Die Auswahl an Essbarem war riesig und ungewöhnlich vielfältig. Nach kurzer und einseitiger Diskusion beschlossen wir einstimmig einen Teller Maden, Garnelen, kakerlakenähnlichen Käfern, Schrimps und Gemüse, alles scharf flammbiert und angebraten, zu bestellen. Dazu gab es gegrillten und genauso scharfen Fisch und Wusu, das bekannteste Bier dieser Region. Eigentlich schmeckte alles, bis auf die innen schmierig weichen Maden und Käfer, sehr gut und besonders das frisch gezapfte und eiskalte Bier war nach einem so nervenaufreibenden Tag eine himmlische Wohltat.
Noch sollte jener jedoch nicht vorbei sein, denn die darauffolgende Suche nach einem Schlafplatz sollte sich als nicht minder ereignissreich erweisen.
Von dem Nachtmarkt aus konnte man am Rande der Stadt die Berge erkennen, also beschlossen wir kurzerhand in diese hineinzuwandern. Jeh weiter wir uns vom Zentrum entfernten, umso ärmlicher wurde die Gegend, bis wir uns irgendwann in einem uigurischen Slum wiederfanden.
Hier traf man keinen der noch weinige Minuten zuvor omnipresenten Han Chinesen mehr, sondern nur noch Uiguren.
Wieder dachte ich an die Aufstände dieses Volksstammes hier in Ürümqi vor fast genau einem Jahr, bei denen ähnlich wie in Lhasa durch chinesische Militär- und Polizeigewalt viele Menschen verletzt wurden oder umkamen. Nur eine Woche nach unserer Abreise würden diese Proteste ihren ersten Jahrestag "feiern". Erneute Proteste sind jedoch so gut wie ausgeschlossen, denn die allgegenwärtigen Polizei-, Militär- und Sicherheitstruppen der chinesichen Regierung kontrollieren jede noch so kleine Straße. Bewaffnet mit Schlagstöcken oder Schrotflinten patrolieren sie unablässig auf und ab. Überall sind Kameras, hunderte, tausende, Nichts bleibt dem Auge des Gestzes verborgen.
In den Slums am Stadtrand jedoch ließ durch die weniger werdende Infrastruktur auch die Modernisierung und gleichzeitig die Überwachung nach.
Nach einiger Zeit des Umherstreifens zeigten uns einige Kinder den Weg zu einem kleinen Berg, auf dessen Gipfel wir unser Zelt aufschlugen. Die wunderschöne Skyline von ganz Ürümqi und die dahinter folgenden Berge zierten den Horizont, sodass der Tag ein würdevolles und angemessenens Ende fand.
Am nächsten Tag besorgten wir uns ersteinrmal das zugeschickte Geld und deckten uns kurz darauf mit Rosinen, Nüssen und frischen Früchten ein, die es überall am Straßenrand zu kaufen gab. Außerdem fanden wir etwas, dass in der kommenden Zeit noch öfter unseren Hunger stillen sollte: Fladenbrot. Hier und da entdeckt man in der ganzen Stadt selbstgebaute Öfen in denen ein Feuer brennt. Die Hefeteige für die Brote werden einfach an den Rand dieser Öfen geklebt, bis sie warm, knusprig und lecker sind. Da ein ganzes Brot nur circa 20 Cent kostet, wurde es bei uns Dreien eine beliebte Mahlzeit.
An diesem Tag machten wir uns auf den Weg zur Busstation und besorgten uns Tickets nach Altay, dem vorerst letzten planmäßigen Ziel unserer Reise. Der Bus war eine äußerst angenehme Überraschung, da an den Fenstern und im Gang Betten anstatt Sitze eingebaut waren. Unser Schlafplatz für die Nacht war also gesichert.
In Altay angekommen, besorgten wir die noch fehlenden Utensilien für unser Abenteuer, fünf Kilo Reis, Mützen und Pullover, einen Topf, Klopapier, Feuerzeuge, Wasser und natürliche Fladenbrote.
Dadurch hatten unsere Rucksäcke noch einmal ordentlich zugenommen und waren jetzt schwer genug, um breitschultrige Wandschränke aus uns zu machen.
Gut Gerüstet brachen wir also auf. Wir hatten die Stadt noch nichteinmal verlassen, als wir bemerkten das uns ein Chinese nachlief. Er hohlte auf und als wir stehen blieben und ihn fragten was er denn von uns wolle, wedelte er nur mit den Armen und begann uns lauthals auf chinesisch zuzuquatschen. Wir verstanden natürlich nur Bahnhof, erst als er sein wahrscheinlich einziges Wort auf Englisch aus den tiefen seines kleinen, engstirnigen Hirnes hervorkramte, wussten wir was los war: "Passport!". Er war also ein Bulle.
Wir zeigten ihm unsere Reisepässe, von denen er wahrscheinlich wieder genauso wenig verstand wie zuvor und als ihm das so langsam bewusst wurde, machte er uns deutlich ihm zu folgen und schleppte uns aufs Revier. Tolle Wurst.
Auch dort sprach wie in ganz China kein Mensch Englisch, sodass erst ein Anruf bei der örtlichen Universität und ein Professor für Englisch die ganze Situation rettete: Das Problem war, dass Touristen nicht länger als 24 Stunden in Altay bleiben dürfen, es sei denn sie nehmen sich ein spezielles Hotel für Ausländer. Wir erklärten ihnen, dass wir gar nicht vor hätten hier zu bleiben, sondern in die Berge wandern wollten. Das stellte sie anscheinend zufrieden und nachdem sie die Bilder unserer Kameras kontrolliert hatten, Fotos von uns machten (von mir nicht, ich war auf dem Klo) und unsere Pässe kopierten konnten wir endlich gehen.
Jetzt konnte es also wirklich losgehen, wir zogen in die Berge.
Nur allmählich gingen die letzten Ausläufer der Stadt ins Gebirge über, sodass wir Altay bei unserer ersten Rast immer noch nicht verlassen hatten.
Jesse war wahnsinnig durstig, und freute sich schon auf den zuvor gekauften Wasserkanister.
Er setzte an, trank wie gewöhnlich den ersten Schluck und spuckte den Zweiten schockiert wieder aus. Chris und ich wollten ihn gerade anmachen, warum er denn das gute Wasser verschwende, da merkten wir, warum Jesse plötzlich so erschrak: Wir hatten nicht vier Liter Wasser, sondern vier Liter hochprozentigen Vodka gekauft! Chris und ich konnten nicht mehr vor Lachen und das hochrot anlaufende Gesicht von Jesse gepaart mit lauten Flüchen taten dem keinen Abbruch.
Wir gingen weiter und kreuzten noch einmal die Hautstraße, die nach Norden aus Altay herausführte. Nach keinen hundert Metern Fußmarsch raste plötzlich ein protziger Jeep mit Blaulicht an uns vorbei und stellte sich mit quietschenden Reifen in den Weg: "Passport!".
Na toll, schon wieder. Und wieder sprach keiner von denen Englisch, erst nach einigen Telefonaten mit Chinesen, die kaum besser Englisch sprachen als unsere beiden, stellte sich irgendwann heraus, dass diesmal nicht die Polizei, sondern gleich das Militär anrückte und uns festhielt. Die Straße der wir folgen wollten und somit gleichzeitig auch unsere vorher ausgedachte Route führte direkt in militärisches Sperr-, weil Grenzgebiet.
Wir also wieder zurück Richtung Osten und ersteinmal überlegen was wir nun machen sollten.
Nördlich am Horizont sahen wir schon schneebedeckte Berge, also wurde aus unserem Ursprünglichen Plan, in die Mongolei einzuwandern der, Schnee zu berühren. Zwar lag diese Bergkette auch im Norden, sprich Sperrgebiet, but whatever, mieden wir eben einfach die Straßen und Täler und gingen den direkten Weg über die Berge.
Als es langsam anfing dunkel zu werden, kamen wir an zwei Zelten vorbei. Wir riskierten einen kurzen Blick durch die offenstehende Tür des Einen und erblickten im Inneren eine alte Frau. Unsere Blicke kreuzten sich und als hätte sie uns erwartet lud sie uns wie selbstverständlich zu sich ein.
Das Zelt war Innen mit bunten Teppichen verkleidet, am Rand standen einige Dinge herum und in der Mitte ein kleiner, bodennaher Holztisch. Sie machte uns deutlich uns zu setzen und begann auch sogleich Kräutertee mit Ziegenmilch, Brot, Käse, Butter und Schmalz zu servieren - natürlich alles selbstgemacht. Wir waren nach der Wanderung und dem Ärger mit der Polizei und dem Militär ziemlich erschöpft und hungrig, Brot und Butter war da eine wilkommene Abwechslung.
Die alte Frau gehörte zu einer Gruppe kasachischer Nomaden, dessen Zelte wir noch des Öfteren auf unserer Wanderung treffen sollten. Wir konnten es kaum glauben, wir saßen hier irgendwo im Nirgendwo und aßen mit der Angehörigen eines völlig unbekannten und vergessenen Volksstammes Abendbrot. Der einzige Lebensinhalt dieser Menschen scheint das Umherziehen mit ihren Kuh-, Schaf- und Ziegenherden. Sehr faszinierende Leute.
Satt und zufrieden schlugen wir unser eigenes Zelt nahe dem anderen auf, wuschen uns und unsere Kleidung in dem nahegelegenen Fluss und krochen erschöpft in unsere Schlafsäcke.
Nach insgesamt vier Tagen Wanderung, Begegnungen mit Kamelen (?!), Erdmännchen und den uns ständig begleitenden Adlern kamen wir auf dem schneebedeckten Gipfel an: 2426 Meter.
In dieser Höhe konnten wir endlich das frische Tauwasser aus den Gebirgsbächen trinken, ohne es vorher umständlich abkochen zu müssen wie wir es die Tage zuvor immer taten. Nur die Mahlzeiten blieben gleich: Reis mit Wasser, Morgens und Abends.
Die erste Nacht, die wir auf dem Gipfel verbrachten war kalt, sehr sehr kalt. Das Termometer sank und sank und blieb erst kurz vor null Grad wieder stehen. Ein zuvor gekaufter Pullover für drei Euro trotzte der Kälte jedoch wunderbar und so krochen wir alle am nächsten Morgen lebendig aus unserem Zelt.
Der kommende Tag war wahnsinn und einfach nur krank. Denn was wir zuvor in vier Tagen liefen, schafften wir an diesem in Einem. Sechs Stunden Laufen. In schnellem Laufschritt. 1400 Höhenmeter, 40 Kilometer Wegstrecke. Und all das mit unseren scheiß schweren Rucksäcken.
Das Ende des Tages war dann auch dementsprechend: Die Füße schmerzten und viele Muskeln standen kurz vor der Kapitulation, doch das dreiste Lächeln auf unseren Gesichtern konnte uns keiner mehr nehmen.
In den folgenden Tagen kehrten wir dann nach Ürümqi zurück und machten für einige Tage Pause. Wir entdeckten die Stadt auf eigene Faust, verbrachten die Abende auf unserem "Schlemmermarkt" mit gegrilltem Meeresfrüchten, Fisch, Tofu, Gemüse, Früchten, Ayran, gepresstem Granatapfelsaft und und und - wir ließen es uns richtig gut gehen.
In dieser Zeit entdeckten wir auch das, was wir am meißten vermissen werden: Xinjiang - Nudeln. Durch eine bestimmte Schleudertechnik frisch hergestellte Eiernudeln mit einer leckere und tränig scharfen Gemüsesauce. Jeden Tag aßen wir mindestens zwei Portionen von dieser einzigartigen Köstlichkeit.
Zum Schlafen verließen wir dann jedesmal die Stadt, zogen in die Berge und bauten dort unser Zelt auf. Einmal waren wir schon relativ lange unterwegs und unsere Straße endete in einer Sackgasse. Doch plötzlich kam ein Bus voll junger Chinesen angefahren, sie stiegen aus und gingen alle durch ein sich öffnendes Tor, welches von einem Wächter bewacht wurde. Wir liefen der Gruppe hinterher, schlüpften einfach mit hindurch und fanden uns auf einem weitläufigen Gelände wieder, das aussah wie ein Studentenwohnheim. Noch schnell über einen Zaun geklettert und in den dahinterliegenden Bergen fanden wir dann ein ruhiges Plätzchen für unser Zelt.
Am nächsten Morgen jedoch standen zwei chinesische Offizielle auf der Matte und bedeuteten uns mitzukommen. Sie führten uns zu dem Tor vom Vorabend und kaum hatten wir jenes erreicht, kam auch schon eine Bullenkarre mit Blaulicht und Vollbremsung auf uns zu.
Wiedereinmal wurde eine Übersetzerin organisiert, wir wurden aufs Revier abgeführt und mussten erklären, warum wir denn auf einem Gelände des chinesischen Militärs übernachten.
"Des Militärs", na klar. Nach endlosem Hin und Her wurden wieder unsere Reisepässe kopiert und wir konnten weiter unserer Wege gehen.
Am nächsten Tag reisten wir dann Richtung Süden nach Turpan, der chinesischen Hauptstadt für Weintrauben. Hier erwartete uns der krasse Kontrast zu Altay, denn in Turpan befindet sich der heißeste Punkt Chinas. Der Fahrtwind, der uns im Bus entgegenströmte war so heiß wie der eines Föhnes.
Eines Abends trafen wir auf den Straßen von Turpan einen uigurischen Touristenführer, der uns fragte ob wir ihn heute Abend in die Disco begleiten wollten. Klar doch.
Der Abend begann mit Vorglühen in einer kleinen Bar. Unser neuer Freund bestellte eine Flasche Wein, einige Bier und irgendetwas chinesisch hochprozentiges und zeigte uns wie man uigurisch trinkt: Ein Glas wird bis zum Rand mit zum Beispiel Wein gefüllt und derjenige, der gerade an der Reihe ist muss das ganze Glas exen, immer im Kreis. Ob man unter Uiguren wirklich so trinkt oder ob er uns nur abfüllen wollte ist mir bis heute nicht ganz klar, aber wir spielten mit und falls er wirklich vor hatte uns abzufüllen, so ging der Plan ordentlich nach hinten los. Nachdem der ganze Alkohol vernichtet war, waren wir zwar leicht angetrunken, unser Uigure war jedoch so besoffen, dass er wild rumschrie und vor unserer Kamera poste. Als ich dann noch eine Flasche von dem Chinazeug bestellte, war er völlig entsetzt, verdrehte fassungslos die Augen und trank nur noch mit, weil er das ganze ja eingefädelt hatte. Das gab ihm aber endgültig den Rest und plötzlich kam er mit einer chinesischen Nutte an: "This Girl is for fuck". Aha.
Nach der Bar ging es ab in eine echte uigurische Disco. Getanzt wurde zu arabisch anmutender Technomusik, wobei die ganze Meute auf der Tanzfläche im Kreis tanzte. Ein lustiger Abend fand sein Ende dann im Stadtpark. Wir waren viel zu müde und erschöpft das Zelt aufzubauen, legten uns also einfach direkt auf die Plane und schlief auch sofort ein.
In Turpan mussten wir dann ein weiteres Mal feststellen, dass meine Visa Karte nicht genug Geld rausrückte. Doch zum Glück hat man ja eine besorgte Familie in Deutschland sitzen. Vaddern hatte vorsorglich noch einmal 300 Euro per Western Union geschickt - 300 Euro waren genau 2426 Yuan (Na, kommt euch das bekannt vor!?). Danke auf jeden Fall nocheinmal dafür.
Einige Tage später, zurück in Ürümqi, verbrachten wir den Abend in einem kleinen Restaurant beim Spiel Brasilien, Portugal. Der Abend sollte nach Nudeln und Wusu sein Ende auf dem Berg vom Tage der Ankunft finden, also verließen wir die Stadt wieder. Doch auf dem Weg dorthin hielt neben uns eine Polizeiauto an. Wir stöhnten auf.
Jesse, Chris und ich stiegen routinemäßig und ohne nach dem Grund der Verhaftung zu fragen ein, wurden zum Revier gefahren und somit ging mein Reisepass zum vierten Male durch die Hände chinesischer Offizieller.
Wir könnten da nicht schlafen, wir müssten uns ein Hostel nehmen, hieß es nach Stunden des Wartens.
So ganz unwillkommen war uns das aber nicht, endlich mal ein bequemes Bett und vor allem eine Dusche, himmlisches Gefühl!
In den letzten Tagen in Ürümqi trafen wir in dem Hostel dann auf andere Backpacker. Mit einem Kanadier zum Beispiel verbrachten wir einen Abend bei Bier und Fußball. Er hatte seinen Bachelor in Montreal gemacht, flog dann mit seinem Fahrrad nach Beijing, um von dort aus über Land in die Schweiz nach Zürich zu fahren und im Oktober pünktlich seinen Master zu beginnen, sehr sehr geile Aktion und super interessant.
Am letzten Abend waren wir mit einem Pärchen aus Schottland, einer Amerikanerin und einem Australier unterwegs. Schlemmermarkt und viele viele Bier.
Irgendwann lief ich dann mit dem Australier vor und als wir uns nach einiger Zeit umdrehten, waren die anderen alle weg. Whatever dachten wir uns, warten wir hier eben noch etwas und laufen dann alleine zurück zum Hostel. Das Gespräch wurde immer besser und jeh länger wir durch die Straßen liefen, umso mehr hatten wir uns anscheinend zu erzählen, selbst im Hostel blieben wir noch lange Zeit wach.
Am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass Chris und Jesse mit der Amerikanerin noch viele Bier von irgendeinem Chinesen spendiert bekamen und besonders Jesse war deshalb am nächsten Morgen völlig zerstört.
Nichts desto trotz machten wir uns auf den Weg zum Flughafen und aßen noch ein letztes Mal unsere Nudeln. Jesse ging es immer noch nicht besser und während Chris und ich eincheckten, ergoss sich ein Strom Dünnflüssiges aus dem Innern seines geschundenen Magens. Beim Abtasten stellte er sich schwach auf den dafür vorgesehenen Sockel, beide Arme von sich gestreckt, in der einen die Plastiktüte mit gelblich auf und ab schwappendem Inhalt, die andere schlaff herunterhängend - dabei durfte man doch keine Flüssigkeiten mit ins Flugzeug nehmen!
Wir alle konnten es kaum erwarten auf die Philippinen zurückzukehren und in der Wartehalle von Guangzhou trafen wir dann das erste Mal wieder auf Philippinos, unerwartetes Tagalog gepaart mit dem typischen Geruch philippinischen Conditioners - es war wunderbar.
Im Flugzeug selbst ging dann ein Philippino an meinem Sitz vorbei, lächelte mir zu und als ich jenes erwiederte klopfte er mir freundschaftlich auf die Schulter. In diesem Moment fühlte ich mich so glücklich und so eng mit den Philippinen verbunden, wie ich es mit keinem anderen Ort jeh zuvor fühlte.
In Manila angekommen, fand dieses Gefühl der höchsten Volkommenheit dann ihren letzten Höhepunkt und alles stürzte wieder auf mich ein: Die gewohnt stickige Luft, das feucht warme Klima oder der schüchtern interessierte Blick einer vorbeilaufenden Philippina - alles fühlte sich so gut und vertraut an.
Ich war endlich zu Hause.
Euer zielloser Weltenbummler,
Theo.